BLOGINTERVIEW

Anselm Schindler: Warum Frieden und Klimaschutz zusammengehören



Anselm Schindler engagiert sich in der KPÖ. Er ist sowohl in der Klimabewegung als auch in der Solidarität mit Kurdistan aktiv. Über den Zusammenhang von Frieden und Klimaschutz sprach er mit der KPÖ.

Die Kriege in der Ukraine und Gaza haben die Klimakrise aus den Schlagzeilen verdrängt. Wie schätzt du das als Klimaaktivist ein?

Die Kriege in der Welt, allen voran in der Ukraine,haben den Regierungen eine perfekte Ausrede dafür geliefert, weiterhin nicht die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig wären, um die Klimakrise zu stoppen. Sie bauen mitten in der Klimakrise sogar noch Gasprojekte weiter aus und schließen neue Deals ab. Die OMV hat letztes Jahr vier Milliarden Euro in Neptun Deep gesteckt, eine Gasplattform im Schwarzen Meer. Und mit dem US-amerikanischen Fracking-Konzern Cheniere Energy einen Deal abgeschlossen, der die Abhängigkeit von Gas für Jahrzehnte fortschreibt.

Um Alternativen zu russischem Gas zu schaffen, oder?

Das behaupten sie zumindest. Es wird gesagt: Erst einmal muss Putin besiegt werden und dann lösen wir das mit der Klimakrise schon noch!Nur endet der Krieg nicht mit Putin, der Krieg in der Ukraine ist ja nur ein Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen den USA, sowie dem westlichen Machtblock auf der einen und Russland, mittelfristig aber stärker noch China auf der anderen Seite. Was als Wettstreit zwischen Werten und Systemen verkauft wird, ist dabei nur Ausdruck der Konkurrenz innerhalb des gleichen Systems: Des Kapitalismus. Eines Systems, in dem die Öl- und Gaskonzerne eine riesige Macht haben. Kriege drehen sich dabei immer auch um die Frage, wer wo Gas und Öl abbauen darf und wohin es geliefert wird. Wer gegen Krieg ist, muss sich auch fragen: Wie kommen wir möglichst schnell weg von Öl und Gas.

Das gilt im Übrigen auch für den Nahen und Mittleren Osten. Vor dem Küstenstreifen, an dem Palästina, Israel und der Libanon liegen, wurden 2009 und 2010 riesige Gasfelder entdeckt. Die israelische Regierung will diese Gasreserven unbedingt ausbeuten, das könnte die Spannungen in der Region noch weiter anheizen. Dabei hat der Krieg der israelischen Regierung in Gaza bereits 40.000 Menschen in den Tod gerissen. Das muss aufhören.

Das ist alles recht weit weg. Was hat das mit den Menschen hier zu tun?

Wir alle bezahlen für die Abhängigkeit von fossilen Energien. Durch Umlweltkatastrophen, die durch die Klimakrise zunehmen, wie die massiven Überschwemmungen die wir dieses und letztes Jahr in der Steiermark, in Tirol und Salzburg erleben mussten. Außerdem bezahlen wir für die Energiekrise mit Geld, was viele von uns eh schon nicht haben – die Energiekonzerne haben den Krieg in der Ukraine zum Anlass genommen, die Preise massiv zu erhöhen. Eine riesige Umverteilungs-Aktion von unten nach oben.

Im Februar hat die schwarz-grüne Regierung beschlossen, weiter aufzurüsten und neue Panzer für das Bundesheer zu kaufen. Wie schätzt du diesen Schritt ein?

Wer 1,8 Milliarden in neue Panzer steckt, während Menschen verarmen oder durch die Klimakrise sterben, entscheidet sich gegen die Menschen. Dass das ganze als Verteidigung verkauft wird, wo wir doch gesehen haben, dass es auch die Aufrüstung des Nato-Machtblocks in Osteuropa war, die Putin einen Grund für seinen Krieg in der Ukraine lieferte. Mehr Aufrüstung schafft mehr Krieg, nicht weniger. Es gibt in der Bevölkerung viele Menschen, die das so sehen, auch wenn diese Positionen in den Mainstream-Medien kaum vorkommen. Die überwältigende Mehrheit in Österreich ist für die österreichische Neutralität und die wird weiter untergraben, wenn man sich am europäischen Aufrüstungs-Wettbewerb beteiligt. Wohin es führt, wenn man sich in die Aufrüstungs-Spirale hineinziehen lässt zeigt sich ja gerade in Deutschland, wo, ebenfalls unter Beteiligung der Grünen, ein 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr beschlossen wurde, während Millionen von Menschen unter Altersarmut leiden. Wer auf der Seite der einfachen Menschen ist, darf nicht den deutschen Weg gehen. Nicht zuletzt, weil Aufrüstung auch für Umwelt und Klima eine Katastrophe ist.

Wie das?

Weil durch Krieg und Militär massiv CO2 freigesetzt wird. Gegen die neuen Bundesheer-Panzer sind selbst die SUVs, die durch den 1. Bezirk rollen, ein Witz. Den Treibstoffverbrauch von Panzern wie dem Pandur geben die Hersteller mit Litern pro Kilometer (!) an. Kein Wunder, der Pandur ist schon ohne Beladung fast 15 Tonnen schwer. Auf globaler Ebene ist es vor allem das US-Militär, das die Klimakrise anheizt: Die CO2-Emissionen der US-Armee allein sind so hoch wie die des gesamten Landes Portugal. Und in den Kriegen, für deren Zweck es das Militär ja überhaupt gibt, wird massiv die Umwelt zerstört. Das sieht man im Irak, wo beim Einmarsch von Nato-Ländern 2003 tausende Tonnen CO2, Schwermetalle und andere Giftstoffe in die Atmosphäre gelangt sind, weil Ölfelder und Fabriken brannten. Ein anderes Beispiel ist Kurdistan, wo die Türkische Armee Wälder anzündet und sogar mit Giftgas gegen die kurdische Freiheitsbewegung vorgeht.

Die österreichische Klimabewegung hat sich in den letzten Jahren wenig mit Rüstung und Krieg befasst. Stimmt dieser Eindruck?

Gerade bei Fridays For Future (FFF), und insbesondere bei deren Österreichischen Sektion galt in den ersten Jahren, dass man sich auf Klimapolitik beschränken wolle. Man hat sich dann von Themen, die damit auf den ersten Blick nicht direkt in Zusammenhang stehen, oft ferngehalten. Die Trennlinie, die dabei gezogen wurde, war aber immer schon künstlich, weil spätestens beim zweiten Blick klar wird, dass die Dinge eben doch zusammenhängen. So wie beim Thema Klima und Aufrüstung.

Inzwischen hat sich da aber auch einiges getan: Seit einer Weile verbindet FFF seine Forderungen in der Klimapolitik immer stärker mit feministischen und sozialpolitischen Forderungen. Und in weiten Teilen der Bewegung hat sich inzwischen der Begriff Klimagerechtigkeit durchgesetzt, der von den “älteren” und zumeist auch linkeren Teilen der Bewegung schon lange verwendet wird. In Österreich wäre das vor Allem die Gruppe System Change not Climate Change. Daran gilt es anzuknüpfen und antimilitaristische Positionen einzufordern. Aber nicht vom Spielfeldrand, sondern als aktiver Teil der Bewegung.

Du engagierst dich inzwischen seit eineinhalb Jahren bei der KPÖ. Welche Rolle kann die KPÖ in diesen Fragen spielen? 

Fangen wir erst einmal damit an, was die Partei nicht tun sollte: Vereinnahmen. Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat schlechte Erfahrungen mit Parteien gemacht, vor Allem mit den Grünen. Die haben immer wieder Leute aus der Bewegung abgeworben, um dann in der Regierung – ob in Österreich oder Deutschland, alles andere als grüne Politik zu machen. Es gibt in der Bewegung also eine, ich würde sagen, gesunde Skepsis gegenüber Parteien. Hier gilt es klarzustellen, dass die KPÖ keine Partei ist wie die anderen, kein Wahlverein, dem es um Posten und Geld geht, sondern eine verbindende Partei, die die Linke insgesamt stärkt, weil sie Stimmen von Bewegungen von Unten verstärken kann. Auch dadurch, dass viele in der KPÖ ja in verschiedensten Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen aktiv sind.

Und inhaltlich?

Die friedenspolitische Position der KPÖ kann der Klimabewegung Orientierung bieten. Es ist nicht leicht, sich heute gegen Krieg und Aufrüstung zu stellen. Man wird angefeindet, weil die Kriege in der Ukraine und in Gaza extrem polarisieren und Leute sich in der Logik des Krieges verrennen. Mit mehr als 100 Jahren konsequenter Friedenspolitik zeigt die KPÖ hier eine gewisse Beharrlichkeit. Das ist eine gute Basis um klarzumachen: Der Kampf für Abrüstung und Klimagerechtigkeit muss zusammengeführt werden.

Eine friedlichere und klimagerechte Zukunft wird es nur geben, wenn wir die Macht der Energiekonzerne brechen und eine Wirtschaft aufbauen, die auf Bedarf und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Die KPÖ-Vorschläge zu einer Energiegrundsicherung, die allen Haushalten den Grundbedarf an Strom und Wärme kostenfrei zur Verfügung stellt in Verbindung mit lokalen Energiegenossenschaften, an denen die Bevölkerung direkte Anteile hält, gehen da in eine gute Richtung. Auch, wenn Reformen allein den Kapitalismus und sein Kriegsregime nicht beenden werden.




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