SOZIALES | KINDERARMUT

Claudia Krieglsteiner: »Schwer verständlich, wie Österreich dabei zusieht, wie großer Teil der Kinder in Armut aufwächst«

Claudia Krieglsteiner ist Bezirksrätin in Wien-Margareten und führt die Wiener Landesliste der KPÖ bei den kommenden Nationalratswahlen an. “Kein Kind in Österreich darf in Armut aufwachsen”, lautete die Resolution die von ihr und anderen Bezirksrät:innen im Vorjahr eingebracht wurde. Modelle und Vorschläge zur Abschaffung von Kinderarmut wurden von der KPÖ auch in der Steiermark und in Salzburg gemacht. Im Wahljahr hat sich nun auch die SPÖ dazu positioniert. Rainer Hackauf hat Claudia Krieglsteiner dazu einige Fragen gestellt.

Die Volkshilfe hat schon länger ein Modell für eine Kindergrundsicherung ausgearbeitet. Die SPÖ hat dieses nun übernommen. Neben einer kostenfreien Grundinfrastruktur wie Gratismittagessen in Bildungseinrichtungen und kostenlosen Ferienangeboten soll es einen Universalbetrag von 367 Euro und zusätzlich eine einkommensabhängige Leistung von 312 Euro geben. Was sagst du dazu?

Claudia Krieglsteiner: Ich halte diese Vorschläge – inklusive einer Geldleistung – für richtige und längst fällige Maßnahmen. Es ist schwer verständlich, wie ein reiches Land wie Österreich tatenlos zusieht, wie ein so großer Teil der Kinder in Armut aufwächst. Armut bedeutet ja immer auch hürdenreicher Zugang zu Bildung, schlechter Gesundheitszustand mit schlimmen Spätfolgen und wenig Vertrauen in sich selbst und die Möglichkeiten sich in der Gesellschaft zu bewegen.

Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut betroffen. Durch die nun diskutierte Kindergrundsicherung könnte die Kinderarmut um 40 Prozent reduziert werden, rechnet die SPÖ vor. Muss es aber überhaupt Kinderarmut geben? Was bräuchte es, um diese ganz abzuschaffen?

Claudia Krieglsteiner: Kinderarmut zu bekämpfen heißt natürlich auch immer, die Situation der Eltern zu verbessern. Da wäre ein Bündel von Maßnahmen möglich und notwendig. Auf die Problemfelder deuten die gerade veröffentlichten Referenzbudgets der Schuldnerberatung hin. Die Kosten für Wohnraum und damit verbunden für Energie sind eine der Hauptursachen für Armut. Die Wohnungspolitik der KPÖ ist inzwischen eine Art Markenzeichen. Die KPÖ hat aber vor Jahren auch ein konkretes Modell einer Energiegrundsicherung ausgearbeitet. Wenn es damals politisch durchgesetzt worden wäre, hätten die Menschen ganz andere Voraussetzungen die aktuelle Energiekostenkrise zu bewältigen.

Du hast das Thema Gesundheit schon angesprochen, wie sieht es da aus?

Claudia Krieglsteiner: Für das Gesundheitswesen gibt es einen Katalog von Forderungen von Ärzt:innen. Ich nenne hier die wichtigsten Vier: ausreichende kostenlose Therapieplätze für Kinder bei medizinischer Indikation; kostenfreie Maßnahmen zur Mund-, und Zahngesundheit für alle unter 18 Jahren; die rasche Erweiterung der Krankenkassenplätze für Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen; sowie die Reform beziehungsweise der Ausbau der Kassenverträge im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde. Aber auch den Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen nennt eine Mehrheit befragter Ärzt:innen als besonders wichtige Maßnahme.

Bildungsungleichheit vererbt sich. Zwischen Armut und Bildungsungleichheit gibt es einen eindeutigen Zusammenhang, wie auch die Armutskonferenz erst kürzlich wieder in konkreten Zahlen aufgezeigt hat. Was müsste sich hier tun?

Claudia Krieglsteiner: Dass in Österreich in besonderem Maße Bildungsarmut vererbt wird, ist bekannt. Unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung werden so Generationen in der sozialen Ausgrenzung und am Rande der Gesellschaft fixiert. Selbstverständlich gibt es immer die Beispiele von Menschen, die sich sozusagen hinein gekämpft haben und Einzelschicksale sind ja niemals vollständig durch die soziale und nationale Herkunft vorgegeben, aber die liberale Heuchelei, dass es nur auf den Einsatz der und des Einzelnen ankäme, macht mich manchmal ganz schön wütend. Dabei gibt es von engagierten Lehrenden und Elementarpädagog:innen  –früher Kindergärtner:innen – ganze Broschüren mit Vorschlägen und Forderungen, wie die Selektion der Kinder und Jugendlichen nach Herkunft vermieden werden kann. Die wichtigste ist sicher eine gemeinsame, gut ausgestattete Ganztagsschule für alle bis 15-Jährigen.

Vorschläge zur Kindergrundsicherung sind schön und gut, aber wie steht es mit der Umsetzung? Die SPÖ hätte das in ihrer Regierungszeit ja schon längst umsetzen können, schließlich wurde lange die Sozialminister:in von ihr gestellt.

Claudia Krieglsteiner: Ja sicher. Für alle Veränderungen im Sinne derer, die nicht über große finanzielle Mittel verfügen und es sich richten können, müssen entsprechende politische Kräfteverhältnisse herrschen. Die ÖVP ist da ja noch am klarsten. Die Eltern sind selber schuld, wenn sie arm sind. Und selbst dann könnten sie ja bei Mc Donalds billige warme Mahlzeiten besorgen. Dieser Nehammer-Sager wurde ja aus der Wut heraus gemacht, dass die EU die Regierung gerügt hatte, weil sie bei der Umsetzung einer Richtlinie gegen Kinderarmut säumig war. Die FPÖ, die sich gerne demagogisch vor den “kleinen Mann” stellt, kennt keine einzige konkrete Forderung gegen Armut. Wirklich arme Menschen, sind in ihren Augen dann halt doch Sozialschmarotzer.
Und was die SPÖ angeht, werden wir begrüßen, wenn nicht nur im Wahlkampf, sondern auch nach der Wahl der Wille bleibt, endlich Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen zu machen. Dazu ist es sicher auch im Sinne derer in der SPÖ, die das wollen, gut, wenn im Parlament links von der SPÖ Druck entwickelt wird. Da wo wir gewählt werden, passiert das ja schon.

Die KPÖ plakatiert gerade den Slogan »Wohnen statt Kanonen«, der bei manchen Kommentator:innen für Aufregung sorgt. Wenn es um neue Eurofighter, »Sky Shield« oder andere Rüstungspläne geht, gibt es meist keine Diskussionen. Wenn es um den Kampf gegen Armut geht, dann auf einmal schon und es wir die Frage gestellt: Wer soll all das bezahlen?

Claudia Krieglsteiner: Die Kindergrundsicherung alleine und auch die Energiegrundsicherung wären wohl mit einigem politischen Willen finanzierbar. Ausreichender öffentlicher Wohnbau, ein Gesundheitswesen, das allen auf dem jeweils aktuellen Stand zur Verfügung steht und ein Bildungswesen, das zulässt alle Potentiale von Kindern und Jugendlichen auszuschöpfen, ein öffentliches Verkehrsnetz, das den privaten PKW unattraktiv macht und ja, auch ein bedingungsloses Grundeinkommen können nur finanziert werden, wenn es eine grundlegende Änderung in der Verteilung von Einkommen und Vermögen gibt.
All das ist nicht neu. Und ich denke, es wird sich nicht verwirklichen lassen, ohne grundlegende politische Änderungen, ohne Eigentumsfragen zu berühren, ohne Erbrechte in Frage zu stellen, ohne Vermögen umzuverteilen und daher ohne Transformationen in den gesellschaftlichen Verhältnissen durchzusetzen.

Wie alle Mandatar:innen der KPÖ wirst auch du im Fall eines Einzugs in den Nationalrat einen Großteil deiner Politikerbezüge umverteilen. Was wird damit passieren?

Claudia Krieglsteiner: Zum einen werden wir die Sozialberatungen mit Soforthilfefonds, die es in Graz und Salzburg gibt, auf alle Bundesländer ausdehnen können. Wir haben ja zum Beispiel in Wien seit vielen Jahren eine Mieter*innenberatung und seit einiger Zeit auch ein Beratungs-Café. Aber die müssen bisher rein ehrenamtlich und ohne finanzielle Mittel auskommen.

Zum anderen wollen wir aber auch solidarische Projekte wie Lern-Cafés für kostenlose Nachhilfe, kostenlose Küchen zur Essensausgabe, Reparatur-Beisln und andere solche Initiativen finanzieren. Damit wollen wir im direkten Kontakt mit den Menschen, die diese Einrichtungen nutzen, auch viel darüber erfahren, wo die Probleme liegen und was sich daher konkret ändern muss.

In Wien gibt es ein Beratungs-Café der KPÖ. Wann und wie kann man sich da an Dich wenden?

Unser Beratungs-Café findet Dienstags von 15 -18 Uhr statt. Dort unterstützen fachkundige Genoss:innen all jene, die sich im Dschungel der vielfältigen Anforderungen der Behörden überfordert fühlen. Telefonische Voranmeldung wird erbeten, weil wir uns dann auf Anliegen konkret vorbereiten können. Wenn notwendig werden Rat- und Hilfesuchende natürlich an professionelle Beratungsstellen weiter vermittelt. Solche Beratungen der KPÖ gibt es übrigens auch in Salzburg, Innsbruck und Graz. Die Termine sind über die jeweiligen Webseiten abrufbar.

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Claudia Krieglsteiner

Claudia Krieglsteiner ist ausgebildete Sozialarbeiterin und hat lange in der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet. Sie ist Bezirksrätin für KPÖ-LINKS in Wien-Margareten. Claudia Krieglsteiner kandidiert als Listenerste der Landesliste der KPÖ-Wien bei der Nationalratswahl 2024.

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