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Die Ostumfahrung Wr. Neustadt – warum die kpö dagegen aktiv ist


Am Mittwoch haben die Bauarbeiten für die Ostumfahrung bei Wr. Neustadt begonnen. Die KPÖ engagiert sich entschieden gegen dieses Straßenprojekt, dass weder zeitgemäß noch aus irgendeinem Grund sinnvoll ist. Die Auswirkungen der Versiegelungspolitik konnten wir gerade erst bei den katastrophalen Hochwassern beobachten. Fabian ist Aktivist der KPÖ in Wr. Neustadt und Teil der Bewegung gegen die Ostumfahrung.

Worum geht es?

Bei der geplanten Ostumfahrung von Wiener Neustadt geht es um ein Straßenbauprojekt aus den 1970er Jahren, die auf einer längst veralteten Straßenpolitik basiert. Diese Straße soll durch das Natura-2000-Schutzgebiet der Warmen Fischa führen und würde eine neue Schneise durch den ohnehin schon eingeschränkten Lebensraum vieler Tiere und Menschen ziehen. Darum gibt es lokal schon lange Widerstand aus der Bevölkerung gegen dieses Projekt, sodass der Straßenbau bis heute nicht umgesetzt wurde. Jetzt versucht die schwarz-blaue Landesregierung in Niederösterreich dieses Projekt auf Wunsch des ÖVP-Bürgermeisters Klaus Schneeberger in Wr. Neustadt entgegen allen Widerständen durchzuboxen. Er versucht den Menschen das Projekt mit falschen Versprechen der Verkehrsentlastung schmackhaft zu machen. Obwohl eine vom Land Niederösterreich selbst in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass die Verkehrsbelastung in Wr. Neustadt mit der neuen Straße weiter ansteigen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem umweltschädlichen Projekt nur aufgrund seines Hauptziels der Erschließbarkeit von neuen Gewerbegrundstücken zugestimmt. Natura2000 Schutzgebiete können nur bei hohem öffentlichem Interesse bebaut werden. Aber eine Verschärfung der Hochwassergefahr oder Zerstörung eines fruchtbaren Ackerbodens für die Expansion des Kapitals liegt wohl kaum im öffentlichen Interesse.

Die Ostumfahrung als Teil einer verfehlten Stadtpolitik des ÖVP-Bürgermeisters Schneeberger

Die Ostumfahrung ist nur ein Teil einer größeren, fehlgeleiteten Stadtpolitik in Wiener Neustadt. Ganz in der kapitalistischen Marktlogik des unendlichen Wachstums werden unaufhörlich weiter neue Geschäfte und Wohnungen am Rande von Wr. Neustadt gebaut, wodurch die Innenstadt abstirbt. Der ÖVP-Bürgermeister Schneeberger treibt dieses Wachstumsprinzip so weit, dass er damit sogar dem Lebensstandard der Menschen in Wr. Neustadt schadet. Geschäfte und Freizeitorte in der Innenstadt müssen schließen und Altbau wird nicht saniert, sodass immer mehr leer steht. Wr. Neustadt hält mit einer Leerstandsquote von 26,5% österreichweit einen unangefochtenen Rekord. Dies ist aber nicht der einzige Rekord, den der ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger in seiner politischen Karriere errungen hat. An zweiter Stelle der bundesweiten Versiegelungsmeister (in Wr. Neustadt 257 m²/Person) hat der Bürgermeister für neue Wohnungen und Gewerbeflächen im Norden, Westen und Süden der Stadt riesige Flächen zubauen lassen. Fehlt nur noch, dass er den unberührten Osten von Wr. Neustadt zubetoniert, um seinen persönlichen Betonring zu vollenden. So als wolle der Bürgermeister Klaus Schneeberger unbedingt einmal erleben, dass auch Wr. Neustadt im Hochwasser versinkt. Dafür sollen ein Natura-2000 Schutzgebiet und Ackerflächen platt gemacht werden, die einen wichtigen Lebensraum für Tier und Mensch darstellen. Dieses wertvolle Naherholungs- und Landwirtschaftsgebiet würde sowohl der Gemeinschaft als auch der Natur verloren gehen.

Schwarz-blaue Enteignungspolitik für Straßen und Kapital

FPÖ & ÖVP, die sich als Vertretung der ländlichen Bevölkerung darstellen, verletzen ständig deren Interessen, indem sie auf politischer Ebene Vermögenden und Großindustriellen helfen sich neue Orte mit Straßen zu erschließen. Dies ist leider gängige Praxis in der Straßenbaupolitik, die gleichzeitig auch immer mit Profitinteressen von Handelsunternehmen bis hin zu Baukonzernen einhergehen. Werden die eigenen Lebensräume nicht freiwillig aufgegeben, erzwingt die schwarz-blaue Landesregierung in Niederösterreich dieses gerichtlich, um Platz für weitere Straßen, riesige Park- und Geschäftsflächen, sowie neue Betriebsniederlassungen zu schaffen. Mit der permanenten Zerstörung von Ackerflächen verbauen Politik und Kapital gemeinsam den Menschen ihre lokale Versorgungsgrundlage mit Lebensmitteln. Wodurch wir wiederum in der Frage wie wir unsere Nahrungsmittel sichern sollen, immer stärker auf Lebensmittelimporte angewiesen sind. So werden wir nicht nur abhängiger von globalen Marktschwankungen und geopolitischen Interessen, sondern wir bauen damit auch unsere Nahrungsproduktion auf dem Rücken des globalen Südens auf. Aber die Vernichtung der lokalen Versorgung ist nicht das einzige Problem, das die Versiegelungspraxis in Niederösterreich verursacht. Das Ergebnis dieser Praxis konnten wir nun beim letzten Hochwasser miterleben, da bei hohen Niederschlagsmengen das Wasser keine Möglichkeit mehr hatte zu versickern. Im Fall von der Ostumfahrung sollen zusätzlich weitere 20 Hektar fruchtbarer Ackerboden versiegelt werden, um neue Gewerbegrundstücke zu erschließen. Hierfür wurde für neun Landwirte ein gerichtliches Enteignungsverfahren eingeleitet, welches bis heute andauert.

Einfache Landwirte unter massivem Druck des Kapitals

Diese schwarz-blaue Enteignungspolitik findet in einer ohnehin prekären Lage der kapitalschwachen Landwirte statt. Lebensmittelkonzerne haben als große Abnehmer eine Verhandlungsmacht über die Preisgestaltung und drücken die Preise. Der kapitalistische Rentabilitätsdruck zwingt sie, Produktionsmethoden zu übernehmen, die nicht im besten Interesse ihrer wirtschaftlichen Stabilität oder der ökologischen Nachhaltigkeit sind. Die gesteigerten Kosten durch die Industrialisierung der Landwirtschaft müssen die Landwirte oft selbst tragen. Kleine landwirtschaftliche Betriebe können bei den hohen Kosten und Investitionen nicht mit den Preisen und Produktionsvolumen großer industrieller Agrarkonzerne mit Kapital mithalten und sehen sich so finanziell zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungen. Im Zuge dieser strukturellen Enteignung sind seit den 1950er Jahren die Zahl der Betriebe um 64% zurückgegangen, während die durchschnittliche Betriebsfläche sich fast verdreifacht hat. Dieser Rückgang der Betriebe mit gleichzeitiger Flächenzunahme ist nur mit einer Verdrängung der kleinen Familienbetriebe durch die Konzentration des Kapitals in wenigen großen industriellen Landwirtschaftsbetrieben erklärbar. Tatsächlich gehören dem obersten 1% der landwirtschaftlichen Betriebe weltweit mehr als 70% der Agrarflächen. Gleichzeitig ist in Österreich die Fördermenge auch von der Flächengröße der landwirtschaftlichen Betriebe abhängig, wodurch die strukturelle Ungleichheit hierzulande weiter zementiert wird. Neben dem permanenten Druck durch große industrielle Agrarkonzerne auf kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, müssen sie zusätzlich noch mit den neuen Straßen und Gewerbeflächen den schwarz-blauen Landraub für das Kapital ertragen.

Ziviler Widerstand gegen die Enteignungspolitik von ÖVP und FPÖ

Es gibt zivilen Widerstand gegen die Enteignungspolitik und die Zerstörung der ländlichen Region von ÖVP & FPÖ. Sie zeigt sich unter anderem in der Besetzung der Fischa-Au, um die Rodung des Natura-2000-Schutzgebietes zu verhindern. Diese Besetzung lebt mit selbst angebautem Gemüse als eine klassenlose, solidarische und antikapitalistische Gemeinschaft auf der Ackerfläche eines Biobauern. Sie leisten somit nicht nur Widerstand gegen den Straßenbau, sondern erproben zugleich neue Lebensweisen. Ganz in diesem Sinne fand jeden Sommer von 2016 bis 2024 auch das einwöchige Klimacamp mit verschiedenen Workshops und Diskussionen statt, um vor Ort Möglichkeiten zu schaffen sich im linken Kampf gegen Kapitalismus, Klimawandel und Unterdrückung zu organisieren. Aber auch die breite Bürgerinitiative Vernunft-Statt-Ostumfahrung ist schon seit Jahren gegen den geplanten Straßenbau aktiv und hat diesen mit ihrem breiten bürgerlichen Bündnis in Wr. Neustadt, Lichtenwörth & Co. bis heute verzögern können. Jetzt steht von Seiten der schwarz-blauen Landesregierung in Niederösterreich fest, dass der Straßenbau per Staatsgewalt im Herbst 2024 durchgesetzt werden soll. Die Bürgerinitiative ist daher auch bereit für ein neues „Hainburg 2.0“ und braucht jede Hilfe, um mit diesem letztmöglichen zivilen Widerstand den irrsinnigen Straßenbau zu verhindern. Dieser Kampf für die Interessen der einfachen Menschen ist ein urkommunistisches Prinzip, und es ist die Aufgabe der KPÖ, den zivilen Widerstand gegen die Durchsetzung von Kapitalinteressen zu unterstützen.

Aktuelle Entwicklungen und die akute Gefahr des Straßenbaus

Die Situation rund um den geplanten Bau der Ostumfahrung in Wiener Neustadt hat sich in den letzten Wochen dramatisch zugespitzt. Das Besatzungsbaumhaus im Natura2000 Schutzgebiet wurde mit Polizeigewalt am 16. August um 4 Uhr in der Morgendämmerung brutal heruntergerissen und in den Fluss geworfen, um „die rechtskonforme Ordnung wiederherzustellen“. 89% der lokalen Bevölkerung fanden das Vorgehen des Landes Niederösterreich nicht in Ordnung und dennoch wird ohne Rücksicht auf den Willen des Volkes weitergemacht. In Lichtenwörth wird der Verkehr schon an den wichtigen Zugangsstraßen umgeleitet und im Süden der geplanten Ostumfahrung wurde eine breite Trasse für den Bau der Straße niedergemäht. Dies zeigt, dass die Zeit drängt: Wenn wir nicht schnell und entschlossen handeln, wird die Fisch Au und ihre Umgebung irreversibel geschädigt – und dies alles zugunsten eines Projekts, das vor allem den Interessen des Kapitals und der Wirtschaftslobbys dient! Dieses Projekt steht auch ganz im Schatten der jüngsten Hochwasserereignisse, die uns gezeigt haben, wohin die rücksichtslose Versiegelungspolitik in Niederösterreich geführt hat. Durch das Zubetonieren von Flächen wird die natürliche Wasserrückhaltung der Böden massiv eingeschränkt und steigert das Risiko für Hochwasser enorm. Denn auf diese Weise kann das Wasser nicht mehr in den Boden eindringen und gelangt so stattdessen schneller in Flüsse und Bäche. Diese Situation wird durch die verfehlte Straßenbaupolitik von der schwarz-blauen Landesregierung immer weiter verschärft, da Niederösterreich bundesweit führend ist in der Versiegelung von Flächen. Dabei sind genau solche naturbelassenen Räume, wie etwa die Fischa Au ein wichtiger natürlicher Puffer zum Auffangen von Hochwassergefahren.

Die Rolle der KPÖ

Während die Profiteure dieser Bauvorhaben sich bereichern, sind es die Menschen vor Ort, die die ökologischen und sozialen Kosten tragen. Deshalb unterstützt die KPÖ vor Ort den Widerstand der Bevölkerung. Nur durch die Organisation des Widerstands von unten können wir verhindern, dass der Kapitalismus weiterhin unseren Lebensraum und unsere Zukunft zerstört. Die Bewegung gegen die Ostumfahrung war in der Zwischenzeit sehr aktiv und hat viele neue Hindernisse und Besatzungsstrukturen aufgebaut. Sie sind zwar motivierter als eh und je, aber sie brauchen auch Unterstützung von allen Seiten, um den nächsten Räumungsversuch und eine Rodung der Bäume im Natura2000 Schutzgebiet zu verhindern. Durch die Solidarität mit den Protesten zeigen wir der Öffentlichkeit, dass die KPÖ an der Seite der Bevölkerung steht, nicht wie die etablierten Parteien an der Seite von Konzernen oder wirtschaftlichen Eliten! Diese solidarische Praxis sollte von der Unterstützung für Betroffene bis zur Aufklärung über die Folgen von Großbauprojekten wie der Ostumfahrung reichen.

Nach dem Beginn der Bauarbeiten, ist Engagement wichtiger denn je. Wer die Proteste vor Ort unterstützen möchte, kann sich unter [email protected] für nähere Infos melden. 

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