WAHLEN | LINZ 2024

Gerlinde Grünn: »Undemokratische Strukturen, begünstigen Fehlverhalten von Entscheider:innen«

Flucht nach vorne. Der Linzer SPÖ Bürgermeister Luger hat nach steigendem öffentlichen Druck heute seinen Rücktritt bekannt gegeben. Das bedeutet auch, in der drittgrößten Stadt Österreichs finden noch dieses Jahr vorgezogene Bürgermeisterwahlen statt. Bei den letzten Wahlen 2021 war die langjährige Gemeinderätin, Gerlinde Grünn, Kandiatin der KPÖ für das Bürgermeisteramt. Die Fragen hat Rainer Hackauf gestellt.

Seit heute ist es fix, noch dieses Jahr stehen Neuwahlen in Linz an. Hättest du damit gerechnet?

Gerlinde Grünn: Bürgermeister Klaus Luger legte heute Mittag auf massiven Druck der Öffentlichkeit sein Amt zurück. Die am Dienstag bekannt gewordene Weitergabe von Hearing-Fragen an den inzwischen entlassenen LIVA-Direktor Kerschbaum und die Leugnung der langjährigen Bekanntschaft mit ihm, ramponierte die Glaubwürdigkeit von Bürgermeister Klaus Luger schwer. Ein Rücktritt nach dem nun auch Bröckeln des Rückhalts in der eigenen Partei war damit unvermeidlich. Das es so rasch ging, ist sicherlich auch der kommenden Nationalratswahl geschuldet um noch größeren Schaden für die SPÖ einzudämmen. Das Tempo hat auch mich überrascht.

Luger hat die Linzerinnen ganz perfide belogen und sich in eine Postenvergabe massiv eingemischt. Korruption steht im Raum. Noch vorgestern hat ihm die SPÖ in Linz einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Wie kann sich das ausgehen?

Gerlinde Grünn: Die Affäre um das Brucknerhaus, die seit März die Stadtpolitik und Öffentlichkeit beschäftigt, zeigt die demokratiepolitischen Mängel in der Stadt Linz deutlich auf. Die ausgegliederten Gesellschaften der Stadt unterliegen nicht der direkten Kontrolle durch den Gemeinderat. Die Berichte des städtischen Kontrollamts sind nicht öffentlich einsehbar und Aufsichtsräte, die nur von den Stadtsenatsparteien besetzt werden, tagen nicht öffentlich. Es gibt auch kein Anfragerecht für die nicht im Stadtsenat vertretenen Parteien. Unkontrollierte Machtkonzentration ermöglicht nicht demokratisch legitimierte Entscheidungen. Es liegt also auch an den undemokratischen Strukturen, die Fehlverhalten von Entscheidungsträger:innen begünstigen. Wir haben von Anfang an eine lückenlose Aufklärung und darüber hinaus eine Transparenz- und Demokratisierungsoffensive gefordert. Macht braucht demokratisch organisierte Kontrolle – ich denke, dass ist die Lehre, die alle ziehen sollten – auch wir als KPÖ.

Von SPÖ und ÖVP sind wir es gewohnt, aber auch die SPÖ wird regelmäßig von Korruptionsskandalen eingeholt. Zuletzt etwa in Wien mit der Schrebergartenaffäre. Die Bundespartei reagiert darauf nur halbherzig. Wird die Glaubwürdigkeit von Politik nicht gerade dadurch untergraben und bei Wähler:innen das Gefühl bestärkt: „Das machen eh alle Politiker:innen“?

Gerlinde Grünn: Natürlich hat Bürgermeister Luger mit seinem Fehlverhalten der Politik insgesamt und auch seiner Partei einen Bärendienst erwiesen. Er hat sich so zusagen selbst ins Knie geschossen. Aber wir wissen auch, dass wir jetzt einen ganzen Reigen von Korruptionsaffären besonders bei der ÖVP und FPÖ aufzählen könnten. Auch wenn sich jetzt alle als Saubermänner aufspielen. Ja es ist wie schon oben gesagt ein strukturelles Problem mangelnder Kontrolle und einer Mainstreampolitik, die nicht die Interessen von Menschen, sondern von Profiten und Seilschaften in den Mittelpunkt stellt. Die Enttäuschung der Wähler:innen ist nachvollziehbar.

Seit dem Jahr 2003 hat Luger diverse Führungsfunktionen in Unternehmen der städtischen Unternehmensgruppe inne? Wie siehst du diese enge Verflechtung zwischen Politik und wirtschaftlichen Betrieben?

Gerlinde Grünn: Bürgermeister Luger hat sich immer mehr als Manager verstanden – Schlagwort „Die Stadt als Firma“ – und auch dementsprechend agiert. Mit seinem Rückzug besteht jetzt auch eine Chance auf Rückbesinnung, dass eine Stadt anders organisiert werden muss, als ein marktwirtschaftlich agierender Konzern.

Luger regiert die Stadt Linz nun schon über eine Dekade als Bürgermeister. Wo steht Linz heute? Was bleibt von ihm als Bürgermeister?

Was bleibt, wird sich weisen. Was sicher ist, Linz braucht dringend eine Kurskorrektur hin zu einer solidarischen Stadt, die alle mitnimmt und die dringend notwendige Verkehrswende und eine ökologische Stadtplanung statt Investorenabhängigkeit angeht.

Zu den bevorstehenden Wahlen zurückzukommen, Graz und Salzburg zeigen, dass Kommunist:innen Städte tatsächlich im Sinn der Bürger:innen und ohne Korruption verwalten könne. Eine Chance für die KPÖ auch in Linz?

Wir werden uns demnächst in unseren Gremien beraten, wie wir mit dieser überraschenden Bürgermeister-Wahl umgehen werden. Regulär wählt Linz erst 2027 den Gemeinderat neu.

Mehr zum Thema