WAHLEN | NATIONALRATSWAHLEN 2024

KPÖ ante portas? Tobias Schweiger, Bettina Prochaska und Claudia Krieglsteiner im Volksstimme-Interview

Den Umfragen zufolge ist die Chance real, dass die KPÖ nach einem Dreivierteljahrhundert wieder in den Nationalrat einzieht. Bundes-Spitzenkandidat Tobias Schweiger, Listenzweite Bettina Prochaska und Claudia Krieglsteiner, Spitzenkandidatin auf der Landesliste Wien, im Volksstimme-Gespräch mit Jonas Kraft.

Wie geht es euch mit dem Wahlkampf?

Schweiger: Extrem gut, es freut mich tatsächlich, wie viele Leute sich bei unseren täglichen Aktivitäten auf der Straße, beim Plakatieren und so weiter einbringen. Trotzdem ist der eigentliche Wahlkampf das, was wir täglich machen, die Sozialberatung und der Einsatz für die Menschen.

Prochaska: Ich lerne viele spannende Menschen kennen. Ich mache das zum ersten Mal – da kennt man den Ablauf bei Medien nicht –, sehr spannend. Insgesamt gibt es gute Zusammenarbeit mit den Genossinnen und Genossen.

Krieglsteiner: Es hat bei den Leuten eine Wende in ihrer Haltung zur KPÖ gegeben. Das hat sich schon beim Sammeln der Unterstützungserklärungen gezeigt. Viele Passant:innen haben mit »Klar, diesmal kommt’s ja auch rein« gleich unterschrieben. Ob sie das dann in der Wahlzelle auch tatsächlich machen, muss sich aber erst zeigen.

Welche Vorbilder habt ihr, politisch wie sozial?

Schweiger: Ich bin sehr von der Elke (Kahr, Red.) in Graz beeindruckt, wie sie ihre Arbeit macht, ständig unter öffentlichem Druck zu stehen und gleichzeitig mit vollem Herzen bei den Sachen zu bleiben. Das ist für mich ein großes Vorbild, wie man als KommunistIn politische Arbeit macht. Gleichzeitig ist das nur einer von vielen Namen in der kommunistischen Weltbewegung, die sich unter sehr widrigen Umständen für ein besseres Leben eingesetzt haben, und das ist etwas sehr ermutigendes, in einer Partei aktiv zu sein, wo man auf so viele tolle Leute zurückschauen kann.

Prochaska: Resi Pesendorfer, weil sie unter wid- rigsten Umständen die Frauen organisiert hat und getan hat, was wichtig und notwendig war. Durch ihren scharfen Verstand hat sie das Verhör der Gestapo überstanden. Meine Oma, weil sie es sehr schwer hatte und trotzdem nicht aufgegeben hat und sich für andere Menschen eingesetzt hat.

Krieglsteiner: Ja, für mich ist es auch eine Frau. Nämlich Irma Schwager, die als jüdisches Mädchen vor den Nazis aus Wien flüchten musste und sich auf der Flucht dem antifaschistischen Wider- stand und der KPÖ angeschlossen hat. Auf die Frage, warum sie zurückgekommen ist, hat sie geantwortet: »Weil wir gewonnen haben.« Sie war zeitlebens aktiv – besonders in der Frauenbewegung – und ist immer klug und sehr bescheiden aufgetreten.

Gab es ein konkretes Ereignis, das euch bewegt hat, in die Politik bzw. zur KPÖ zu gehen?

Schweiger: Nein, es gab kein eines konkretes Ereignis, ich habe sehr früh die verschiedenen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft und auch weltweit mitbekommen, und Ungerechtigkeit ist etwas, was mich sehr wütend macht. Die Beschäftigung mit dem Marxismus, seinen Analysen und Antworten, hat mir geholfen, meinen politischen Weg zu finden. Der Eintritt in die KPÖ hat mir das Gefühl gegeben, politisch nach Hause zu kommen.

Prochaska: Dass sich politisch etwas ändern muss, war mir schon früh klar und ich habe mich außerhalb von Parteien auch immer dafür eingesetzt. Ich war auch schon im Arbeitskreis Pflege und Gesundheit engagiert. Die Entscheidung bei- zutreten habe ich beim Frauenfest in Salzburg gefällt, als ich all die coolen Frauen gesehen habe, die sich in der KPÖ für ihre Sache engagieren.

Krieglsteiner: Mich hat als Jugendliche die Anti-AKW Bewegung 1974/75 politisiert. Da waren wir als Mädchenclique aus meiner Klasse, die in Imst Infotische organisiert hat, exotisch. Aber da habe ich zum ersten Mal verstanden, dass der Bau so eines Kraftwerks mit Profitinteressen zu tun hat und dass die Politik sich um die Interessen – und in diesem Fall die Gesundheit – der Menschen wenig schert.

Wie wurde eure Entscheidung für die KPÖ von den Menschen in eurer näheren Umgebung aufgenommen?

Schweiger: Eigentlich durchwegs positiv, der Großteil meines persönlichen Umfelds ist zur gleichen Zeit ebenso in die KPÖ eingetreten. Meine Familie hat sich sehr wohl Sorgen gemacht, aber nicht wegen der KPÖ konkret, sondern weil der politische Betrieb als ganzes keinen guten Ruf hat. Meine Eltern stehen mir beratend zur Seite, wenn ich einen neutralen Blick von außen brauche. Besonders die Haltung meiner Mutter habe ich immer bewundert, und daran hat sich nichts geändert.

Prochaska: Durchwachsen. Von vielen FreundInnen habe ich positive Rückmeldungen erhalten – die dachten ohnehin, dass ich so etwas früher oder später machen würde. Manche Bekannte konnten nicht verstehen, dass ich mich politisch engagiere – »das bringt ja eh nix«. Ein Ansporn für mich, es gut zu machen. (Sie lacht)

Krieglsteiner: Für meine Freunde und Freundinnen war der Beitritt zur KPÖ dann wenig überraschend, meine Familie hat sich damals wirklich Sorgen gemacht, dass mir das – auch beruflich – schaden könnte. Hat es aber nicht.

Werdet ihr im Wahlkampf mit vielen antikommunistischen Klischees und Ressentiments konfrontiert?

Prochaska: Im persönlichen Gespräch eher selten, die verlaufen eher inhaltlich und sehr gut. Von den Medien bekommt man die K-Frage natürlich öfter gestellt. Aber das meiste bekommt hier ja Tobias Schweiger ab.

Schweiger: Auf der Straße fast gar nicht. Es ist vereinzelt schon so, dass Leute einen beschimpfen oder ungut anreden, aber das ist mittlerweile schon eine Rarität. Früher war das anders.

Worauf führst du das zurück?

Schweiger: Ich glaube, das liegt an der sehr konkreten Politik der KPÖ, mit der der Antikommunismus seine größte Stärke verliert, nämlich dass die Leute kaum etwas über uns wissen und dann alles mögliche glauben, was man ihnen erzählt. Heute begegnen uns Leute durchaus kritisch, aber auf Basis dessen, was wir tun, und dann ist ein konstruktives Gespräch sehr wohl möglich. Ein wichtiger Punkt ist, glaube ich, auch die Krise 2008 und wie die Troika 2015 mit Griechenland umgesprungen ist, das war ja quasi eine finanzielle Hinrichtung. Viele junge Leute haben sich von sich selbst aus damit beschäftigt und sind, wie ich, zu dem Schluss gekommen, dass es so nicht weiter geht und eine neue, nicht auf Profit basierende Ge- sellschaftsordnung notwendig ist.

Wie würdet ihr jemanden, der das Programm nicht gelesen hat und auch nichts von der KPÖ weiß, kurz dazu bewegen, euch zu wählen?

Schweiger: Es gibt viele Wege, die KPÖ zu wäh- len, genauso wie es viele Wege dazu gibt, KommunistIn zu werden. Ich glaube, das Überzeugendste ist nicht so sehr, was wir wissen oder wollen, sondern wie wir Politik machen. Unsere Haltung, der Gedanke, dass die Befreiung der ArbeiterInnen nur ihr eigenes Werk sein kann, führt dazu, dass wir den Menschen wirklich zuhören. In diesem Geiste reden wir nicht über die Menschen, sondern mit den Menschen, und knüpfen daran an, was die Leute plagt, welche Sorgen sie haben und das ist immer eine gute Basis für ein Gespräch, wie wir ihnen konkret helfen können.

Prochaska: Gesundheit und Pflege geht uns alle an. In der KPÖ kämpfen viele ExpertInnen des Alltags dafür, dass sich die konkreten Rahmenbedingungen verbessern. Wir sind keine – und wollen keine – abgehobenen Politiker sein. Das Vertrauen der WählerInnen nehmen wir daher nicht auf die leichte Schulter, wie auch die Beispiele in Graz, Salzburg, Linz, Wien, Innsbruck, etc. zeigen.

Krieglsteiner: Unsere Kandidaten und Kandidatinnen sind nicht nur aus Überzeugung solidarisch mit den Menschen, die in schwierigen, prekären Lebensumständen zurechtkommen müssen, sie gehen selbst belastenden Berufen nach, sind mit der Teuerung, den ständigen Mieterhöhungen und aktuellen Energiekosten, mit Arbeitslosigkeit und geringen Pensionen konfrontiert. Unsere Mandatare und Mandatarinnen sind »normale« Leute und sie sollen das auch bleiben, nicht zuletzt deshalb gibt es die Gehaltsobergrenzen. Wir werden Maßnahmen zu genau den Problemen, die die Menschen beschäftigen und mit denen sie leben müssen, auch ins Parlament einbringen.

In den Medien wird die KPÖ fast ausschließlich mit dem Thema Wohnen in Verbindung gebracht. Wie möchtet ihr das ändern?

Schweiger: Das ist ein Satz, den ich immer wieder höre, er wird aber nie von einem konkreten Gespräch über unsere Positionen zum Thema gefolgt. Es scheint die Medienlandschaft nur sehr wenig zu interessieren, wie wir einen Mietendeckel umsetzen wollen. Wir werden als single-issue Partei für Wohnen dargestellt, aber als single-issue Partei für Außenpolitik befragt. Dementsprechend wäre es mir wichtiger, darüber zu reden, was wir uns unter einem Mietendeckel vorstellen, wie wir erreichen wollen, dass keine Person mehr als 25 % ihres Einkommens für Wohnen ausgeben muss, warum uns der soziale Wohnbau so wichtig ist. Aber auch über Pflege und Gesundheit zum Beispiel würde ich gerne konkreter sprechen, wie das eben unserer Arbeit entspricht.

Prochaska: Seit der Pressekonferenz im Rahmen des Parteitages in Graz war für uns klar, dass Pfle- ge ein wichtiges Thema ist. In den Medien haben wir die Zuschreibung zwar nicht so stark wie beim Wohnen, aber die Arbeitskreise und auch das Wahlprogramm zeigen, wie wichtig uns das The- ma Pflege und Gesundheit ist.

Krieglsteiner: Hinter dem Vorwurf, den Tobias Schweiger hier anspricht und den wir öfter hören, wir seien Putinfreunde, steht, dass wahrgenommen wird, dass wir uns klar für einen Waffenstill- stand in der Ukraine aussprechen und die Glaub- würdigkeit der österreichischen Neutralität wieder herstellen wollen. »Vergessen« wird halt, dass wir den Einmarsch durch Russland verurteilen und keine Freundschaft mit autoritären Oligarchen pflegen. Auch der sofortige Waffenstillstand in Gaza, die Freilassung aller Geiseln und die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Österreich sind uns wichtig, und wir werden uns gegen die enormen Aufrüstungspläne in Öster- reich zur Wehr setzen. Trotz des medialen Drucks versteht die große Mehrheit der Menschen in Ös- terreich, dass die Neutralität unseres Landes gut für uns ist. Aber sie ist auch die beste Grundlage, um solidarisch für die Opfer einzutreten.

Was dürfen wir von euch als erste Aktion im Parlament erwarten?

Schweiger: Unsere erste Aktion als Parlaments- klub wird die Einrichtung des Sozialtopfs sein, in den der Großteil unserer Gehälter fließen wird, und die Ausarbeitung von Anträgen für einen Mietenstopp bis 2029, einen Mietendeckel und eine Energiegrundsicherung. Dann darf man aber nicht vergessen, dass der Wiedereinzug der KPÖ in den Nationalrat nur ein Schritt dazu ist, uns zu der Partei des täglichen Lebens für die arbeitenden Menschen zu machen. Dementsprechend wird viel Energie nicht nur in die parlamentarische Arbeit, sondern auch in den Aufbau der notwendigen Strukturen in allen Bundesländern fließen.

Prochaska: Darüber hinaus werden wir zu den konkreten Forderungen im Programm, Schwerarbeiterregelung, Arbeitszeit, Personalschlüssel, bezahlte Ausbildung, etc. Anträge – abgestimmt mit unseren GenossInnen in den Landtagen – stellen.

Krieglsteiner: Was wir plakatieren, meinen wir auch! Ich werde solange lästig sein und dran bleiben, bis in Österreich eine Kindergrundsicherung jedem Kind im Land erspart, in Armut aufwachsen zu müssen.

Vielen Dank für das Gespräch, und auf ein erfreuliches Wahlresultat!

Dieser Beitrag ist erstmals in der Volksstimme 09 / 2024 erscheinen. Abos und Bestellungen unter www.volksstimme.at.

Mehr zum Thema

Aktuelles