Nora Gumpenberger: »Das Volksstimmefest ist Musikfestival, politische Veranstaltung als auch Familienfest«

Nora Gumpenberger (l.) mit Manu (Monkeys of Earth)

Kommendes Wochenende findet das 77. Volksstimmefest im Wiener Prater statt. Seit 1946 ist das Pressefest der KPÖ Anziehungspunkt für zehntausende Besucher:innen. Kern des Festes sind die Stände unterschiedlicher Initiativen. Den Rahmen des Festes bilden gastronomische Angebote und ein kostenloses Kultur- und Musikprogramm auf drei Bühnen. In der Vergangenheit sind dort alle großen Namen der österreichischen Popmusik aufgetreten – von EAV, bis zu Ostbahn-Kurti und Sigi Maron. Nora Gumpenberger programmiert das Musikprogramm am Fest. Grund genug, einmal hinter die Bühne zu schauen.

Der Nino aus Wien, Ankathie Koi, Sir Tralala, Anna Mabo oder Monobrother – das Fest hat dieses Jahr wieder einige bekannte Namen der österreichischen Musikszene zu bieten. Dein Highlight in diesem Jahr? Auf welchen Programmpunkt freust du dich besonders?

Nora Gumpenberger: Ich freue mich natürlich auf die genannten großen Namen im Line-up, aber besonders auch auf die Acts, die nicht so oft auf den Bühnen Wiens zu sehen sind. Die Band Machacek spielt heuer das erste Mal am Volksstimmefest. Sie bezeichnen sich als Midlife-Punkrocker und werden mit dem einzigen Punkrockkunstpfeifer Mitteleuropas auftreten. Wann erlebt man schon sowas?! Außerdem bin ich gespannt auf Monsterheart, eine Künstlerin, die wir seit Jahren auf unserer Wunschliste haben. Wir freuen uns, dass sie nach längerer Bühnenauszeit heuer am Volksstimmefest live zu erleben sein wird. Außerdem ein Fixpunkt für mich und empfohlen auch allen, die sie noch nicht kennen: Monkeys of Earth! Sie gehören einfach zur Volksstimmefest-Familie dazu!

Du übernimmst nun schon seit mehr als zehn Jahren die musikalische Programmierung des Fests. Um ein paar nähere Einblicke zu bekommen, wann beginnst du daran zu arbeiten? Wie passiert die Auswahl der Artists?

Nora Gumpenberger: Glücklicherweise übernehmen wir die Programmplanung im Team. Im Moment arbeiten wir zu dritt am Musikprogramm. Wir beschäftigen uns das ganze Jahr über mit dem Fest und mit Musik sowieso, treffen uns aber regelmäßig ab November. Meist starten wir mit einem leidenschaftlichen Austausch und preisen uns gegenseitig die Acts an, die uns begeistern, die wir vielleicht gerade erst live erlebt haben und unbedingt am Volksstimmfest dabei haben möchten. Wir sichten Bewerbungen und stoßen so regelmäßig auf Bands, die wir noch nicht kannten – beispielsweise The Sweet Janes, hurrah!. Oder, die wir aus dem Blick verloren hatten, wie die Techno-Urgesteine Ilsa Gold, oder Wipeout, die ihr 20-Jahre-Jubiläum bei uns gefeiert haben. So entsteht ein diverses und buntes Programm, quer durch die Genres, das uns oft auch selbst überrascht.

Das Publikum am Fest ist altersmäßig und auch sonst sehr gemischt. Kann man es musikalisch allen recht machen? Welche Rückmeldungen bekommst du? Was geht sich nicht aus?

Nora Gumpenberger: Musikalisch kann man es nie allen recht machen. Das ist aber sicher nicht dem Alter zuzuschreiben. Wir haben bei der Programmplanung die musikalische Tradition des Festes immer im Hinterkopf, den planerischen Blick aber nach vorne gerichtet. Manchmal wird erst im Nachhinein klar, wie schön sich der Kreis schließt und es eine runde Sache geworden ist. Wenn sich, wie heuer, der Bogen stimmig von einem der wichtigsten Protestliedermacher Österreichs – Sigi Maron – bis zum jungen soulig-funkigen Newcomer Majestätsbedarf spannen lässt. Direkt am Fest erreicht mich oft sehr schöne Kritik, vor allem die Freude über Neuentdeckungen. Vor den Festen gibt‘s Programmwünsche, die manchmal umsetzbar sind, oft aber auch nicht, z.B. der Wunsch nach einer Bühne ausschließlich für Countrymusic, oder die Einladung Konstantin Weckers, oder des achtzigköpfigen Triester Partisanenchors – diese Wünsche sind oft allein finanziell schon nicht umsetzbar.

Es heißt, das Volksstimmefest ist das schönste Fest von Wien. Was macht für dich das Besondere am Volksstimmefest aus? Warum ist es nicht mit anderen Festivals zu vergleichen?

Nora Gumpenberger: Das Volksstimmefest ist die größte öffentliche Veranstaltung der KPÖ und ein politisches Volksfest. Es ist sowohl Musikfestival, politische Veranstaltung als auch Familienfest. Verglichen mit anderen Musikfestivals ist sicher besonders, dass das Volksstimmefest großteils bei Tageslicht, bei freiem Eintritt und ohne Konsumzwang stattfindet. Anders als andere Festivals können wir nicht auf große Fördersummen setzen. Andererseits müssen wir uns daher programmatisch aber auch nicht an Vorgaben von außen halten. Ich persönlich freue mich über die Vielfalt am Fest, über das Wiedersehen mit lieben Freund:innen beim tschechischen Blasmusik-Frühschoppen am Sonntag, das hitzige Diskutieren am Mostschädlstand der KPÖ OÖ, eine flotte Runde mit dem Karussell und die ausgelassene Stimmung am Sonntagabend, wenn wieder alles gut über die Bühne gegangen ist.

Man kann es nicht oft genug sagen, ohne ehrenamtliche Arbeit von unzähligen freiwilligen Helfer:innen – Genoss:innen, Freund:innen, Aktivist:innen – könnte das Fest nicht über die Bühne gehen. Wie schaut das beim Musikprogramm aus?

Das Programm auf den Bühnen wäre ohne ehrenamtliche Helfer:innen nur schwer stemmbar. Viele Hände werden im Backstagebereich, im Catering und auch beim An- und Abtransport der Instrumente benötigt. Auch im Programmplanungs-Team wird großteils ehrenamtlich gearbeitet.

Wenn du einen Wunsch hättest, welchen Artist würdest du dir in einem der kommenden Jahre am Fest wünschen?

Auf der Liste meiner realistischen Wünsche für kommendes Jahr steht das Knarf Rellöm Arkestra. Das fetzt! Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich mir Christiane Rösingers Agitpop-Spektakel »Die große Klassenrevue« für das kommende Fest wünschen. »Reichen-Shaming, Erben-Blaming, Umverteilen, Widerstand« ist eine würdige Überschrift für die Programmierung dieses politischen Festivals mit langer Tradition und ganz nach meinem Geschmack: ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit Augenzwinkern und Leichtigkeit.

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