Positionspapier

Gemeinsame, inklusive Bildung für alle: Bildungspolitik ist Sozialpolitik!

KPÖ aktiv für einen demokratischen, sozialen und pädagogischen Kurswechsel – Unser Positionspapier »Gemeinsame inklusive Bildung für alle: Bildungspolitik ist Sozialpolitik!​« wurde vom Bundesvorstand der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) am 17. August 2024 einstimmig beschlossen.

Das österreichische Bildungssystem steht für eine starke Zwei-Klassen-Bildung. Das Bildungssystem ist nicht auf individuelle Förderung und soziale Integration ausgerichtet, sondern auf Anpassung und soziale Selektion. Nicht neugieriges Fragen, Staunen, gemeinsam Lernen, nicht Erkennen und Verstehen der Welt um uns und in uns sind die Hauptsache, sondern das Lernen von vorgegebenem Stoff für Noten, die zum Aufsteigen berechtigen oder eine Klassenwiederholung vorschreiben.
Nach der gemeinsamen Volksschule werden Schüler:innen getrennt. Kinder mit sehr gute Noten im Abschlusszeugnis der Volksschule kommen ins Gymnasium (AHS-Unterstufe), die anderen gehen in eine Mittelschule, die wie die Volksschule eine Pflichtschule ist und allen Kindern offensteht, unabhängig von Herkunft, Einkommen und sozialem Status der Eltern. Bildung in Österreich wird immer noch vererbt. Das österreichische Schulsystem verfestigt gesellschaftliche Ungleichheit, gute und weniger gute Bildungschancen, Besitz- und Klassenverhältnisse. Zu viele Kinder und Jugendliche werden durch Leistungsdruck, Notenlernen und Schulangst verunsichert und demotiviert.

Die Schulprobleme ihrer Kinder überfordern nicht nur berufstätige Eltern, Mütter und besonders Alleinerzieherinnen. Freie Zeit mit den Kindern ist oft knapp und wird zur Lernzeit, Nachhilfestunden sind teuer. Ganztägigen Schulen gibt es immer noch zu wenige.

Engagierte Pädagog:innen finden in dem hierarchischen und chronisch unterfinanzierten Schulsystem nur wenig bis keine Unterstützung. Die Zahl der Burnout-Fälle steigt, übervolle Klassen sind zur Regel geworden, für Teamteaching, individuelle Förderung und Bildungsangebote, die über den Pflichtunterricht hinausgehen, werden eingespart. Der akute Lehrer:innenmangel ist eine Folge und Symptom der Krise. Der Einsatz von Studierenden und Quereinsteiger:innen bringt keine nachhaltige Lösung, das Studium der Pädagogik wird angesichts der schulischen Anforderungen zu einer Nebenbeschäftigung, für Quereinsteiger:innen wird es durch Crash-Kurse ersetzt. Hauptsache der Pflichtunterricht findet statt, Unterrichtsqualität und vertiefende Bildungsangebote sind für Schulverwaltung weniger wichtig.

Für wirksame Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pädagog:innen, Schulpersonal und Schulleitung

Pädagog:innen haben keine gemeinsame Vertretung. Für die Elementarpädagog:innen verhandeln je nach Dienstgeber Younion, GPA, Vida oder die ÖVP-dominierte Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Die GÖD organisiert die Lehrer:innen in fünf voneinander unabhängigen Standesgewerkschaften mit konservativer ÖVP/FCG/ÖAAB-Mehrheit. Die damit einhergehende Spaltung der Kolleg:innen ist ein großes Hindernis für Veränderung.

Die KPÖ unterstützt die gewerkschaftlichen Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entlastung der Pädagog:innen und der Schulleitungen durch die Stärkung multiprofessioneller Teams. Das bedeutet die Einstellung von mehr Pädagog:innen, aber auch u.a. von mehr Schul- und Sozialpädagog:innen, Psycholog:innen und von zusätzlichem Verwaltungspersonal.

Für eine demokratische Reform und Neuregelung der Bildungskompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden

Eine dringend notwendige große Bildungsreform umfasst soziale Integration und Inklusion, der flächendeckende Ausbau ganztägiger Kindergärten, eine gemeinsame ganztägige Pflichtschule für alle, individualisierter Unterricht in einer gemeinsamen Pflichtschule, die unterschiedliche soziale und gesundheitlich Bildungsvoraussetzungen anerkennt und berücksichtigt. Dafür braucht es klare, transparente, sozial und pädagogisch begründete Verwaltungsstrukturen und zusätzliche Budgetmittel. Keine Kürzungen in Form von »Sparpaketen«, sondern zukunftsorientierte Bildungsbudgets, die den Bildungseinrichtungen autonome Schwerpunktsetzungen ermöglichen und Planungssicherheit geben.

Die KPÖ unterstützt eine Verfassungsreform, mit der die Bildungs-Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden neu geordnet werden. Es geht um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen, um Zukunfts- und Lebenschancen, um soziale Umverteilung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es darf jedoch nicht um partei- und landesparteipolitische Vorteile gehen – Klientelpolitik im Interesse des nationalen und internationalen Finanzkapitals.

Die von der KPÖ angestrebte demokratische Wende im staatlich organisierten Bildungssystem sehen wir als einen Prozess, der mehr als eine Legislaturperiode in Anspruch nehmen wird. Er muss von den betroffenen Eltern, Schüler:innen und Pädagog:innen mitgetragen werden. Konsequente, geduldige parteiübergreifende Überzeugungsarbeit, wissenschaftliche Begleitung, öffentliche Debatten werden notwendig sein und eine entsprechende Medienpräsenz. Die KPÖ wird dazu beitragen, dass bei den Nationalratswahlen 2024 Inklusion und Gesamtschulfrage diskutiert und nicht wahltaktisch verschwiegen wird.

Für das Recht auf einen ganztägigen Kindergartenplatz – Für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn für Elementarpädagog:innen

Die KPÖ tritt für das Recht eines jeden Kindes auf einen wohnortnahen Kindergartenplatz ein und fordert den flächendeckenden Ausbau ganztägiger Kindergärten. Für jedes Inklusionskind, entsprechend der Behinderung des Kindes, fordern wir die Bereitstellung einer Betreuungsperson und von erforderlichem Spezialmobiliar.

Die Arbeitsbedingungen müssen bundeseinheitlich verbessert werden. Wir unterstützen die gewerkschaftliche Forderung nach einer besseren, der qualifizierten Tätigkeit entsprechende Bezahlung. Die KPÖ fordert ein Bundesgesetz, das für alle Betreiber von elementarpädagogischen Einrichtungen verbindliche Rahmenbedingungen schafft und bessere wie auch aufgabengerechten Arbeitsbedingungen für Elementarpädagog:innen und unterstützendes Personal vorschreibt. Das bedeutet mehr Personal und kleinere Gruppen, mehr Zeit für die Arbeit mit einzelnen Kindern und ganztägige Öffnungszeiten. Wir fordern aufgabengerechte und vom Bund garantierte Zuschüsse für Gemeinden und andere öffentliche Träger der Bildungseinrichtungen der Elementarerziehung. Damit wollen wir ein Ende der chronischen Unterfinanzierung von Kindergärten und ihrer negativen Auswirkungen für Eltern – insbesondere Frauen –, Kinder und Beschäftigte.

Für eine gemeinsame, inklusive und ganztägige Pflichtschule aller 6-15-Jährigen

Die frühe Bildungsweg-Entscheidung am Ende der Volksschule wird von Herkunft, Bildungsgrad und sozialem Status der Eltern eines Kindes bestimmt. Damit von sehr verschiedenen Lebensumständen, die sehr unterschiedlich auf die Schule vorbereiten und schulisches Lernen unterstützen. Kinder mit guten und sehr guten Noten setzen ihre Schullaufbahn an einer AHS fort, die nur Volksschulabgänger:innen mit sehr guten Noten im Abschlusszeugnis aufnimmt. Wobei die Noten weniger über Motivation, Sachverstand, Kreativität eines Kindes aussagen als über den Bildungshintergrund seiner Eltern. Kinder aus Arbeiterfamilien – mit und ohne Migrationsgeschichte – kommen in der Regel in eine Mittelschule – auch die mit guten Noten.

Die KPÖ setzt sich dafür ein, dass individuelle Förderung, soziale Integration und Inklusion die Bildungsarbeit bestimmen und dass der permanente Notendruck abgeschafft wird, der Schüler:innen, ihre Familien – hier vor allem Frauen – und auch viele Lehrer:innen ab der 2. Klasse Volksschule belastet. Die 9. Schulstufe ist Orientierungsstufe für die Wahl des weiteren Bildungswegs, mit polytechnischen Modulen an Berufsschulen, berufsbildenden höheren Schulen und allgemeinbildenden höheren Schulen – und den damit verbundenen beruflichen Möglichkeiten.

Eine gemeinsame und inklusive Pflichtschule braucht neue didaktische Methoden: Freiräume für den selbstständigen Erwerb von Wissen, für das gemeinsame Finden von Lösungen, für neugieriges Fragen, kleinere Klassen, individualisierten Unterricht und Gruppenarbeit. Daher braucht es mehr Pädagog:innen und Unterstützungspersonal.

Als ersten Schritt in Richtung gemeinsame Pflichtschule für alle schlagen wir vor, die AHS-Unterstufe als Pflichtschule zu führen und fordern die dazu notwendige Novellierung der Schulgesetze von 1962.

Für den Abbau finanzieller Hürden im Bildungswesen und eine Kindergrundsicherung!

Der Schulbesuch bringt finanzielle Ausgaben für Schulmaterial, Schulveranstaltungen und Projekte, die sich wegen der Teuerung und steigender Lebenskosten immer mehr Eltern nicht leisten können. Die KPÖ tritt dafür ein, dass alle Schüler:innen in sozialer Sicherheit und ohne finanzielle Hürden gemeinsam mit ihren Schulkolleg:innen an allen Schulaktivitäten teilnehmen können. Wir fordern auch die Einführung eines gemeinsamen kostenlosen und gesunden Mittagessens in Kindergärten und Schulen und die Übernahme der Kosten für das Einrichten von Küchen, Speise- bzw. Pausenräumen durch die öffentliche Hand.

Die KPÖ unterstützt die Forderung nach Einführung einer Kindergrundsicherung, die allen Kindern ein Leben in Würde ermöglicht. Neben einer kostenfreien Grundinfrastruktur wie kostenloses Mittagessen in Bildungseinrichtungen und kostenlosen Ferienangeboten soll es einen Universalbetrag von 367 Euro und zusätzlich eine einkommensabhängige Leistung von 312 Euro geben.

Für die Finanzierung der Bildungsreform und aller sozial wirksamen Budgets durch die Umverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums von oben nach unten

Die KPÖ fordern wir eine soziale Steuerpolitik, die private Vermögen, Stiftungen, Immobilien- und Grundbesitz wesentlich und stärker als bisher zur Finanzierung des Sozialstaates heranzieht. Als KPÖ setzen wir uns für die Einführung einer progressiven Millionärssteuer für Vermögen ab 1 Million Euro und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ab 1 Million Euro ein. Ebenso braucht es höhere Steuersätze auf absurd hohe Einkommen ab 250.000 Euro pro Jahr. Diese Steuern treffen den Überreichtum und Erbschaften der Mateschitz ́ und Swarovskis. Luxusimmobilien und große Erbschaften werden höher besteuert, um Einnahmen für die Finanzierung des Sozialstaats zu generieren und Ungleichheiten zu mindern. Zusätzlich kämpfen wir als KPÖ für die Senkung der Lohnsteuer für niedrige Einkommen und die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur besseren Finanzierung des Sozialstaats durch die Unternehmen.

Tertiäre Bildung – Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Fachhochschulen, Privatunis, Privathochschulen

Wir treten für kostenlosen und schrankenlosen Zugang zu Universitäts-, Hochschul- und Fachhochschulstudien ein. Der Zugang zu den Hochschulen muss frei sein. Dafür braucht es auch die Demokratisierung der Hochschulen, den Ausbau von Mitsprache und Mitbestimmung der Studierenden, der Wissenschaftler:innen und aller im Hochschulbereich Beschäftigten und kein effizienz- und Output-fixiertes Managements, wie in privaten Konzernen.

Die KPÖ tritt dafür ein, dass Menschen, die im universitären Bereich arbeiten, dort sicher, langfristig und ihrer Qualifikation entsprechend in Forschung und Lehre tätig sein können. Daher treten wir gegen Kettenverträge und für langfristige und sichere Arbeitsverhältnisse für Forschende und Lehrende ein. Damit die Universitäten ein Ort der Bildung für alle werden, braucht es die entsprechenden finanziellen Mittel aus öffentlichen Budgets und die jährliche Steigerung längerfristiger Leistungsvereinbarungen im Ausmaß der Inflationsrate.

Prekarisierung und die steigende Abhängigkeit der Forschenden vom Einwerben privater Sponsorgelder lehnen wir ab. Denn diese bedrohen die Freiheit der Wissenschaft und haben zur Folge, dass sich Forschung zunehmend auf ökonomisch verwertbare Bereiche beschränkt, nicht aber an Nutzen und Wohl der Bevölkerung orientiert.

Bundesvorstand der KPÖ, 17. August 2024

Arbeitskreis »Bildungspolitik«

Wir laden alle interessierten Genoss:innen und Freund:innen ein, sich an einem Arbeitskreis »Bildungspolitik« zu beteiligen. Hier melden und mitmachen!





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