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Simon Neuhold: »Eine bedingungslose Grundsicherung für Studierende muss über der Armutsgrenze liegen«

In den letzten Tagen hat ein Vorschlag der Universitätskonferenz (UNIKO) für Aufsehen gesorgt. Geht es nach den Rektor:innen österreichischer Hochschulen sollen Studierende eine Grundsicherung von 1.200 Euro bekommen. Bedingung soll eine Mindeststudienleistung von 40 ECTS-Punkte pro Studienjahr sein. Das jetzige Beihilfen-System soll stattdessen gestrichen werden. Rainer Hackauf hat Simon Neuhold, zur Zeit für den Kommunistischen Studentinnenverband – Linke Liste (KSV-LiLi) im Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler:innenschaft, dazu befragt.

1.200 Euro als Grundsicherung für alle klingt aufs Erste doch ganz gut. Was sagst du dazu?

Simon Neuhold: Natürlich klingt das aufs Erste ganz gut! Vorstöße zur besseren Finanzierung des Lebens von Studierenden sind grundsätzlich positiv. Nur, mit einer bedingungslosen Grundsicherung, wie wir beim KSV-LiLi das fordern, hat es leider am Ende wenig zu tun.
Die Forderung der UNIKO ist ja, dass die Grundsicherung an 40 ECTS-Punkte pro Studienjahr geknüpft sein soll, das gleichzeitig mit der Einführung Familien- und Studienbeihilfe gestrichen würden und außerdem liegt die Höhe ja über 300 Euro unter der Armutsgrenze.
Bei der Forderung der UNIKO handelt es sich also um einen zu niedrig angesetzten Kredit, weil ob das Geld nicht nach dem Berufseinstieg zurück gezahlt werden soll lässt die UNIKO ja offen, wo Studierende wahrscheinlich wegen der ECTS Hürde wieder unter Druck stehen und im Endeffekt dennoch einen weiteren geringfügigen Job machen müssen, weil sie nicht über die Runden kommen.
Das Modell das KSV-LiLi, dass der Kommunistische StudentInnenverband schon vor über 20 Jahren das erste Mal so ähnlich vorgeschlagen hat sieht ja anders aus: Eine bedingungslose Grundsicherung für Studierende muss über der Armutsgrenze liegen und jährlich inflationsangepasst werden, außerdem darf es für den Bezug keinerlei ECTS Hürden geben – Sonst ist sie ja nicht bedingungslos!

Die Rektor:innen begründen ihre Forderung damit, dass die Ausbildung an den Unis damit schneller abgeschlossen werden könnte, Studierende also kürzer an der Uni bleiben. Klingt nach Studieren im Dienste des Humankapitals?

Simon Neuhold: Dass die Verschulung und Marktkonformität der Hochschulen spätestens seit Bologna immer weiter zunimmt, ist klar. Dass die Rektor:innen einen möglichst schnellen Studienabschluss wollen, ist aus ihrer Logik heraus ja klar, das macht sich gut in den internationalen Rankings, wo das Wohlbefinden von Studierenden meistens keine Rolle spielt.
Für uns als kommunistische Student:innenvertreter:innen ist es aber natürlich so, dass wir Studierende immer in ihrem konkreten Studienalltag unterstützen wollen. Wenn jemand also schnell studieren möchte, müssen Gesellschaft und Hochschule das genauso ermöglichen, wie wenn eine Person das Studium eben nicht in Mindeststudienzeit durchläuft. In unseren Hochschulen müssen diese beiden Modelle ohne Unterschied in der Unterstützung und Bewertung möglich sein.

Diesen Sommer sollen die aktuellen Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung veröffentlicht werden. Der letzte Bericht hat gezeigt, der Großteil der Studierenden hat es finanziell nicht leicht. Zwei Drittel sind dazu gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten. Wie kann die soziale Lage von Studierenden verbessert werden?

Simon Neuhold: In dem endlich Geld für Studierende in die Hand genommen wird! Von den Studierenden wird immer mehr verlangt, es werden die Daumenschrauben der Mindeststudienleistung und der Streichung von Beihilfen immer weiter angezogen und öffentlich wird immer noch gerne das Bild des Bummelstudenten bedient. Die Realität sieht ja völlig anders aus, wenn mehr als zwei Drittel arbeiten müssen – Im Schnitt übrigens nicht etwa geringfügig, sondern 20 Stunden. Es ist doch völlig klar, dass ein selbstbestimmtes studieren in so einem System nicht möglich ist.
Es muss also endlich eine bedingungslose Grundsicherung für Studierende her und die Familien- und Studienbeihilfe müssen ausgebaut werden.

Der aktuelle Jugendmonitor der Arbeiterkammer zeigt, ein Viertel der befragten jungen Menschen kann sich nicht leisten, aus dem Elternhaus auszuziehen. Deckt sich das mit deinen Erfahrungen aus der ÖH-Beratung? Wie sieht die Wohnsituation für Studierende aus?

Simon Neuhold: Die Wohnsituation der Studierenden in Österreich ist total prekär. Wir haben auf der ÖH Anfang des Jahres eine Studie zur Wohnsituation der Studierenden präsentiert, deren Ergebnis wirklich teilweise schockierend war. Bei Studierenden in privater Miete, das ist die häufigste Wohnform unter Studierenden, ist die Wohnkostenbelastung 49 Prozent. Im Studierendenheim ist die Zahl sogar noch höher.
Auch hier wäre die Politik gefragt. Studierende sollten nicht nur einfacheren Zugang zu gefördertem Wohnbau erhalten, sondern es sollte vor allem die staatliche Studierendenwohnheim-Förderung wieder eingeführt werden. Die gemeinnützigen Studierendenwohneime werden vom Staat ungefördert völlig allein gelassen und die dadurch entstehenden Mehrkosten treffen dann die Studierenden. Auch ein bundesweiter Kautionsfonds für Studierende würde helfen.
Auf der ÖH mussten wir unsere Wohnberatung schon massiv erhöhen, aber als Interessensvertretung sind unsere Möglichkeiten begrenzt, hier braucht es endlich leistbaren Wohnraum für Studierende.

Ein Dauerthema in der Öffentlichkeit ist auch das Thema Studierende aus Deutschland. Studierende aus Deutschland kommen gerne nach Österreich, um hier Medizin oder Psychologie zu studieren, weil sie das dort aufgrund der Zugangsberechtigung nnicht dürfen. Gefordert wurde unlängst wieder eine Zwangsverpflichtung, um nach dem Studium in Österreich zu arbeiten. Wie stehst du dazu?

Simon Neuhold: Eine Zwangsverpflichtung nach dem Studium ist ein falscher Ansatz, um den Mangel an Mediziner:innen in Österreich auszugleichen. Besser wäre es, sich konkret anzusehen, was man gerade im ländlichen Raum und bei Kassenärzt:innen tun könnte, um diese Orte wieder attraktiver für junge Menschen zu machen.
Und beim Medizinstudium sind nicht die Studierenden aus Deutschland das Problem, sondern die geringe Anzahl an Studienplätzen, die schweren Tests und die teuren Vorbereitungsmaterialien für ebendiese.

Bei den vergangenen EU-Wahlen haben 10% der unter 30-jährigen die KPÖ gewählt. Zugleich fühlen sich junge Menschen immer weniger von der Politik vertreten, wie die aktuelle AK-Studie zeigt. Das ist verständlich, sind unter 30-jährige doch kaum im Nationalrat vertreten. Auch die demokratische Mitbestimmung an Universitäten wurde in den vergangenen 20 Jahren Schritt für Schritt abgeschafft. Wie muss Politik für junge Menschen aussehen?

Simon Neuhold: Ich denke, es gibt da zwei ganz wesentliche Punkte. Erstens muss die Möglichkeit zur Mitbestimmung geschaffen werden, wir setzen uns ja zum Beispiel auch stark für eine Demokratisierung der Strukturen an den Hochschulen ein. Aber um Mitbestimmung zu ermöglichen, darf man junge Menschen nicht immer in dieser “die Jungen” Kategorie denken. Wir unter 30-jährigen fühlen uns ja nicht wertgeschätzt und eingebunden, wenn man immer nur dann ernst genommen wird, wenn es um die “Jugendthemen” gehen soll. Junge Menschen sind genauso wie ältere Menschen von fehlender Teilhabe, Inflation und steigenden Wohnkosten betroffen. Was wir wollen ist nicht dass man uns gönnerhaft Jugenkandidat:innen vor die Nase setzt, sondern dass man diese Probleme ernst nimmt und glaubhaft Alternativen aufzeigt. Das soll nicht heißen, dass es keine jüngeren Menschen in der Politik braucht, aber es reicht nicht, wenn jemand jung ist, es muss sich schon konsequent für linke, kommunistische Politik eingesetzt werden!

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